Erstmals Gentherapie zur Behandlung von Blutgerinnungsstörung in der EU zugelassen
MÜNCHEN. Bisher waren Patienten mit der Blutgerinnungsstörung Hämophilie A auf eine lebenslange Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors VIII über Injektionen angewiesen. Die Hämophilie ist die häufigste Form der auch als Bluterkrankheit bezeichneten Blutgerinnungsstörung, die auf einen Gen-Defekt zurückgeht und ausschließlich bei Männern auftritt. Bei Betroffenen ist das Faktor-VIII-Gen defekt und kann kein funktionsfähiges Faktor-VIII-Protein bilden. Mit dem Präparat Roctavian (Valoctocogene Roxaparvovec) steht nun erstmals eine Gentherapie zur Behandlung der Hämophilie zur Verfügung. Darauf verweist Dr. med. Harald Krebs, Facharzt für Hämostaseologie am Sonnen-Gesundheitszentrum München (SOGZ).
Gentherapie kann bei Blutgerinnungsstörung Blutungen verringern
Es handelt sich dabei um einen AAV-Vektor, also um ein vermehrungsunfähiges Adeno-assoziiertes Virus, das den genetischen Bauplan für die Bildung des Faktor VII-Proteins in wenige Körperzellen überträgt. Mit einer einmaligen intravenösen Gabe des Faktor-VII-Proteins in die Leberzellen des Patienten soll eine funktionsfähige Kopie des Gerinnungsfaktors zur Verfügung gestellt werden. Die Therapie kann dazu beitragen, dass sich Blutungen verringern und sich Substitutionen des Gerinnungsfaktors reduzieren lassen.
Facharzt in München: Hoffnung für Patienten mit schwerer Blutgerinnungsstörung
Für eine Behandlung kommen laut Committee for Advanced Therapies (CAT) bei der Europäischen Arzneimittelagentur Patienten in Frage, die an schwerer Hämophilie A leiden, die keine Faktor-V-III Hemmkörper aufweisen, die bisher auf eine Faktor-VIII-Substitutionstherapie angewiesen waren und keine Antikörper gegen AAV des Stereotyps 5 aufweisen. Patienten, die an einer Lebererkrankung leiden, sind von der Therapie auszuschließen.
Derzeit ist noch unklar, wie lange der Behandlungseffekt andauert. Studien zeigen jedoch positive Effekte, denn bei der Mehrzahl der 134 in der Phase-3-Prüfung behandelten Patienten kam es auch nach zwei Jahren zu einer deutlichen Verringerung von Blutungen und einem niedrigeren Verbrauch an Gerinnungsfaktoren im Vergleich zum Zeitraum vor Einsatz des Medikaments. Bei einigen Patienten ließ sich im Rahmen der klinischen Prüfungen sogar ein Behandlungseffekt von bis zu fünf Jahren nach einer Infusion feststellen.